Windkraftwerke_im_Wald

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Windindustriezonen im Handschuhsheimer Wald

 Sehr kurzfristig und ohne Vorankündigung hat die Stadtverwaltung am 12. September 2023 eine Informationsvorlage für den nächsten AKUM (Ausschuss für Klima, Umwelt und Mobilität) am 20.9.2023 veröffentlicht. Darin gibt sie bekannt, dass sie dem VRRN (Verband Region Rhein-Neckar) folgende Flächen als zukünftige Windindustriezonen für den neuen Regionalplan Wind anbietet:

- südlich Weißer Stein zwischen Siebenmühlental und Kreuzgrundtal,
- Hoher Nistler und
- Lammerskopf (zusätzlich zu den Flächen von ForstBW)

 Die Auswahl geschah ohne öffentliche Diskussion und ohne Behandlung im Gemeinderat.  

Von der Stadtverwaltung vorgesehene Windindustriezonen rot, bestehende Wasserschutzgebiete hellblau umrandet

Die Nutzung der Windenergie zur Reduzierung der CO2-Emissionen ist unbedingt nötig. Die Frage ist jedoch, wo die Windkraftwerke in Zukunft errichtet werden sollen, im Wald oder im Offenland. Windkraftwerke im Wald führen zu erheblichen Eingriffen in die Natur. Für jede Anlage muss eine Fläche von ca. 8 000 qm (Kranaufstellfläche und Fläche des Windkraftwerks) gerodet werden. Da die Neigung dieser Fläche höchstens 1% betragen darf, müssten z.B. beim Hohen Nistler aufgrund der Topografie erhebliche Eingriffe in Form von Geländenivellierungen durchgeführt werden. Die ausgebauten Zufahrten und Kranflächen müssen dauerhaft waldfrei bleiben, da Windkraftwerke gewartet und ggfls. repariert werden müssen.

Bei Standorten im Wald müssen neue Zufahrten angelegt werden. Dazu müssen Waldwege auf eine befahrbare Breite von 4,50 m und eine Durchfahrtsbreite von 6,50 – 7,00 m (gerade Strecken), in Kurven bis 20 m Durchfahrtsbreite ausgebaut werden, der notwendige Kurvenradius beträgt 40 – 60 m. Die dafür notwendigen Flächen müssen gerodet werden. Die Wege müssen für Schwertransporter mit einem Gewicht von 100 - 150 t und einer Achslast von 12 t ausgebaut werden. Dazu müssen die Waldwege in der Regel 40 - 60 cm tief geschottert werden. Die folgenden Bilder zeigen Waldgebiete, die gerodet und teilweise eingeebnet werden müssten.

Eindrücke von Wegverbreiterungen und Geländenivellierungen beim Bau von Windkraftwerken im Wald:

Notwendige Geländenivellierungen für ein Windkraftwerk:

Im Vergleich dazu sind die Eingriffe bei Standorten im Offenland wesentlich geringer, wie folgendes Bild zeigt.
Nach dem Bau kann der überwiegende Teil der Fläche wieder landwirtschaftlich genutzt werden (siehe Windkraftwerk hinten rechts).


Von 2017 bis 2021 wurde in einem durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) geförderten umfassenden Forschungsprojekt „Naturverträgliche Energieversorgung aus 100 % erneuerbaren Energien 2050“ (EE100) der Universität Hannover, des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE), des Instituts für Elektrische Energiesysteme (IfES), des Instituts für Wirtschaftsinformatik und der TU Berlin untersucht, wo in Deutschland zusätzliche Windkraftwerke ökonomisch sinnvoll und gleichzeitig natur- und menschenverträglich gebaut werden können. Das Projekt ermittelte unter Berücksichtigung von technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien 23 340 Potenzialflächen der Kategorie „geringer Raumwiderstand“ mit einer Gesamtfläche von 5 320 km² für Onshore-Windenergieanlagen. Auf diesen Flächen könnte ca. 1 500 TWh Windstrom pro Jahr erzeugt werden. (Heute erzeugen alle 30 000 Windkraftwerke in Deutschland ca. 140 TWh/Jahr.) Alle 23 340 Potenzialflächen für Windenergie der Kategorie „geringer Raumwiderstand“ liegen außerhalb von Schutz- und Waldgebieten. Diese Ergebnisse des Bundesamts für Naturschutz (BfN) werden in Baden-Württemberg und in Heidelberg nicht beachtet.

Ganz anders geht das Land Rheinland-Pfalz vor. In Rheinland-Pfalz plante die rot-grüne Landesregierung 2013, den Pfälzerwald für den Bau von mindestens 150 Windenergieanlagen freizugeben. Dies verursachte eine langanhaltende Diskussion, in der sich vor allem Natur- und Umweltorganisationen und der Pfälzerwald-Verein gegen die Pläne aussprachen. Nach mehrjähriger Diskussion beschloss die Landesregierung, den Pfälzerwald zu schützen und stattdessen in der Ebene auf Äckern oder in der Nähe von Straßen Flächen für den Bau von Windkraftwerken auszuwählen. Auch Frankreich beschloss, die Vogesen vor Windenergieanlagen zu schützen.

Seither wurden in der Pfalz außerhalb von Wald auf Offenlandflächen in der Rheinebene bereits 160 Windkraftwerke errichtet. 25 weitere große Windkraftwerke sind aktuell z.B. im Raum Speyer im Offenland geplant. Dies findet nicht nur breite Unterstützung in der Bevölkerung, es geht auch viel schneller als Windkraftwerke im Wald, der Klimaschutzeffekt ist dadurch größer.

Nähere Informationen zu dem Thema finden sich in dem UPI-Bericht 88 „Windkraftwerke im Wald - Bewertung und Alternativen“, der hier heruntergeladen werden kann: www.upi-institut.de/UPI88.pdf  Auch das Jahrbuch des Stadtteilvereins Handschuhsheim e.V. 2023 befasst sich mit diesem Thema.


Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität (AKUM)

In der AKUM-Sitzung am 20.09.2023 wollte die Stadtverwaltung den Gemeinderat lediglich über ihre Entscheidung informieren, dass sie die drei Waldflächen Weißer Stein zwischen Siebenmühlental und Kreuzgrundtal, Hoher Nistler und Lammerskopf (zusätzlich zu den Flächen von ForstBW) als Windindustriezonen für den Regionalplan anmelden will.

Fünf Fraktionen hatten Anträge vorbereitet:

Als erstes hatte schon am Montag 18.9.2023 die CDU-Fraktion beantragt:

Für den Teilregionalplan Wind werden bevorzugt die vom Regionalverband für Windkraft vorgeschlagenen Flächen in der Ebene in Kooperation mit den Eigentümern, Gärtnern und Landwirten weiterverfolgt. Flächen im FFH-Schutzgebiet (bspw. Lammerskopf) kommen für Windkraftanlagen nicht in Betracht.
Vor einer möglichen Aufnahme weiterer Waldflächen („Weißer Stein“, „Hoher Nistler“) in den Teilregionalplan Wind muss eine sorgfältige Abwägung/Prüfung von Klima- und Naturschutzinteressen erfolgen. Weiterhin soll geprüft werden, inwieweit weitere Flächen entlang der Autobahn, sowie in Industrie- und Gewerbegebieten geeignet sind.“

Am 19.9. stellte die AfD den Antrag, dass für den Teilregionalplan Wind gar keine Flächen angemeldet werden und das Thema in der nächsten Gemeinderatssitzung weiter beraten wird.

Am 20.9. stellte die Bunte Liste (BL) zwei Anträge:

a)   Vor einer Entscheidung müssen dem Gemeinderat für die in Frage kommenden Flächen 12 Parameter wie Aufwand für Zuwegung (Länge, Breite, Tiefe der Schotterung), für Stromanschluss (Länge neuer Mittelspannungs- und Hochspannungsleitungen), Höhe der Stromverluste bis zum Umspannwerk und Notwendigkeit und Dimension der Geländenivellierung mitgeteilt werden.

b)   In einem 2. Antrag fordert die BL, dass bei einer für die Energiewende wie für den Naturschutz und das Stadtbild so fundamentalen Entscheidung Öffentlichkeit und Bezirksbeiräte miteinbezogen werden müssen.

Ebenfalls am 20.9.2023 beantragten die GRÜNEN, dass die Stadt Heidelberg zusätzlich zu den drei Waldstandorten der Informationsvorlage (Südlich Weißer Stein, Hoher Nistler und Lammerskopf) die vom Nachbarschaftsverband im Plan als für Windenergie geeigneten und gekennzeichneten Flächen in der Ebene (Anlage 01) im jetzigen Verfahrensschritt zur weiteren Betrachtung anmeldet. Außerdem soll die Stadtverwaltung für die Standorte in Heidelberg eigene Messungen in der Höhe von Windrädern in Auftrag geben.

Die SPD beantragte kurz vor Beginn des AKUM, dass das Thema vor der abschließenden Beratung im Gemeinderat in den betroffenen Bezirksbeiräten behandelt wird, da die Ausweisung von Flächen für die Menschen in den betroffenen Stadtteilen von großem Interesse ist.

In der Sitzung reagierte Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (GRÜNE) vor voll besetzten Zuhörerreihen ziemlich gelassen auf die Einbringung der Anträge: Diese gingen ins Leere, da bereits morgen (21.9.2023) die Frist für das Einbringen der Flächenvorschläge ablaufe ! Prüfungen und Bewertungen könne man nun keine mehr vornehmen. Weitere Diskussionen zur Auswahl könne man nicht mehr führen und auch die Bezirksbeiräte könne man jetzt nicht mehr beteiligen. Dies sei allein der Zeitnot geschuldet, morgen sei Abgabetermin der Flächenvorschläge !

Hier als Hintergrundinformation der Zeitplan des VRRN:

Aus dem Zeitplan geht hervor, dass der VRRN bereits im Juli 2022 den Aufstellungsbeschluss für die Teilregionalpläne fasste und im 3. Quartal 2022 u.a. die Stadt Heidelberg als "Träger öffentlicher Belange" darüber unterrichtete, dass Heidelberg Flächen für Windkraftwerke melden solle. Das ist jetzt 10 Monate her ! Im März 2023 lag der Kriterienkatalog vor.

In dieser Zeit haben sich andere Kommunen ausführlich mit dem Thema befasst und Flächenvorschläge ausgewählt und im Gemeinderat diskutiert und am Ende beschlossen. In Walldorf war z.B. das Ergebnis die Ablehnung der Flächenvorschläge im Wald und die Meldung der Flächen im Offenland.

Heidelberg wird dagegen jetzt lediglich die bereits im Jahr 2015 vom Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim und der Stadt geprüften Flächen im Wald für den Regionalplan anmelden.

Damals hatte die Stadtverwaltung die Flächen ausführlich untersucht mit folgendem Ergebnis:

"Stellungnahme der Stadt Heidelberg als
   Untere Immissionsschutzbehörde
   Untere Wasserbehörde
   Untere Bodenschutzbehörde
   Untere Naturschutzbehörde

...

Fazit:
Insbesondere seitens der unteren Naturschutzbehörde bestehen erhebliche Bedenken gegen eine Ausweisung von Konzentrationszonen im Odenwald. Allenfalls der Standort KWZ 16 Drei Eichen könnte sich unter Vorbehalt als geeignet erweisen.

Die Untere Forstbehörde Heidelberg kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Belange der Erholung und der Ökologie in Zusammenhang mit der Eigenschaft als „urbaner Wald“ höher einzustufen sind, als die Ausweisung von Konzentrationszonen Windkraft auf Waldstandorten" (Quelle: Anlage 02 zur Drucksache: 0039/2016/BV)

Matthias Kutsch (CDU) nannte es "geradezu absurd", dass der Gemeinderat erst jetzt einen Tag vor der Frist und dazu noch nur in einer Infovorlage informiert wird.

Verwirrung entstand dadurch, dass Marliese Heldner (HDer) fälschlicherweise behauptete, die Fläche "Lammerskopf" würde ja bereits von ForstBW entwickelt und darauf habe die Stadt keinen Einfluss, man könne deshalb die Fläche Lammerskopf gar nicht aus der Liste nehmen. Geplant ist von der Stadtverwaltung jedoch nur, die im Besitz der Stadt befindliche Fläche Lammerskopf von 90 ha zu melden. Die weitgehend im Besitz des Landes befindliche Fläche, die als Windindustriezone entwickelt werden soll, hat dagegen eine Fläche von ca. 500 ha. Dieser Fehler war den Vertretern der Verwaltung durchaus bewusst, sie korrigierten ihn in der Diskussion jedoch nicht. 

Raoul Schmidt-Lamontain behauptete weiter, es sei nicht weiter schlimm, dass jetzt in Heidelberg keine Zeit mehr für weitere Diskussion sei, da es sich ja nur um quasi unverbindliche Vorschläge handele, die dann noch vom VRRN einer genauen Prüfung unterzogen würden. Und außerdem gebe es dann im nächsten Jahr eine Offenlage, wo man Einspruch erheben könne. Letzteres stimmt zwar formal, wenn aber Flächen im Wald wie der Nistler oder Weißer Stein erst einmal im Entwurf des Regionplans enthalten sind und von der Verbandsversammlung am 15.12.2023 abgestimmt wurden, werden sie nur noch schwer wieder daraus zu entfernen sein.

Ursula Röper (GRÜNE) unterstützte Schmidt-Lamontain (GRÜNE) und berichtete, dass man in einer Delegation zum Greiner Eck gefahren sei und z.B. keine Wege gesehen habe, die anders aussehen als normale Waldwege. Insgesamt seien die Eingriffe kleiner als man gedacht habe. Hier zur Information ein Foto vom Greiner Eck:

Matthias Kutsch (CDU) stellte dazu klar, dass die Anlagen am Greiner Eck Anlagen der 3 MW-Klasse sind. Heute werden Anlagen von 7 MW gebaut, in Zukunft vermutlich von 8 und 9 MW.

Bernd Zieger (LINKE) erläuterte, dass Standorte im Wald erhebliche Eingriffe in die Natur zur Folge haben, pro Windkraftwerk müssen etwa 1 Hektar Wald gerodet werden. Deshalb müsse man auch Flächen in der Ebene ernsthaft prüfen.

Arnulf Weiler-Lorentz legte dar, dass man erst dann eine vertretbare Entscheidung treffen könne, wenn man die Fakten kenne. Deshalb brauche man vergleichbare Werte für die einzelnen Flächen, auch wenn sie nur halb-quantitativ seien.

Raoul Schmidt-Lamontain entgegnete darauf, dass die Verwaltung einen solchen Vergleich (siehe die nachfolgende Tabelle nicht leisten könne, Luitgard Nipp-Stolzenburg (GRÜNE) meinte, die Erhebung dieser Informationen könne man auch den Investoren überlassen.

Die meisten der in dem Antrag der BL geforderten Parameter lassen sich jedoch leicht aus den im Jahr 2015 vom Nachbarschaftsverband für die Flächen erhobenen Daten und aus anderen öffentlich zugänglichen Quellen errechnen:

Der Antrag der CDU wurde mit 4 Ja-Stimmen (CDU, BL, LINKE) gegen 10 Neinstimmen (GRÜNE, SPD, GAL, FDP, HDer und Stadtpartei) bei 1 Enthaltung (Christoph Rothfuß) abgelehnt.

Der Antrag der GRÜNEN wurde mit 12 Ja-Stimmen (GRÜNE, SPD, GAL, FDP und Stadtpartei) gegen 1 Neinstimme (AfD) bei 3 Enthaltungen (CDU, HDer) angenommen.

Der Antrag der BL nach Vergleich der verschiedenen Flächen in einer Nutzwertanalyse wurde mit 5 Ja-Stimmen (BL, LINKE, CDU, AfD) gegen 6 Neinstimmen (4 GRÜNE, Sören Michelsburg, FDP) und 5 Enthaltungen (Christoph Rothfuß und Bülent Teztiker, Karl Emer, GAL und Stadtpartei) knapp abgelehnt.

Damit werden die Waldstandorte und zusätzlich geeignete Flächen in der Ebene als Windvorrangflächen von Heidelberg an den VRRN gemeldet.

Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain sagte zu, den Bezirksbeiräten das Verfahren zu erklären..

Termine:

Mittwoch 27. September 2023, 18:00 Uhr Vortrag von Dieter Teufel, UPI-Umwelt- und Prognose-Institut, über "Auswirkungen der geplanten Windindustriezonen Lammerskopf, Hoher NIstler und Südlich Weisser Stein und Alternativen"  in der Steinbachhalle Ziegelhausen, Am Fürstenweiher 40, Bushaltestelle Fürstendamm, Buslinien 33, 34 und 37.

 

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