Von 2017 bis 2021 wurde in einem durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN)
mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare
Sicherheit (BMU) geförderten umfassenden Forschungsprojekt
„Naturverträgliche Energieversorgung aus 100 % erneuerbaren Energien 2050“
(EE100) der Universität Hannover, des Fraunhofer-Instituts für
Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE), des Instituts für
Elektrische Energiesysteme (IfES), des Instituts für Wirtschaftsinformatik
und der TU Berlin untersucht, wo in Deutschland zusätzliche Windkraftwerke
ökonomisch sinnvoll und gleichzeitig natur- und menschenverträglich gebaut
werden können. Das Projekt ermittelte unter Berücksichtigung von
technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien 23 340
Potenzialflächen der Kategorie „geringer Raumwiderstand“ mit einer
Gesamtfläche von 5 320 km² für Onshore-Windenergieanlagen. Auf diesen
Flächen könnte ca. 1 500 TWh Windstrom pro Jahr erzeugt werden. (Heute
erzeugen alle 30 000 Windkraftwerke in Deutschland ca. 140 TWh/Jahr.) Alle
23 340 Potenzialflächen für Windenergie der Kategorie „geringer
Raumwiderstand“ liegen außerhalb von Schutz- und Waldgebieten. Diese
Ergebnisse des Bundesamts für Naturschutz (BfN) werden in Baden-Württemberg
und in Heidelberg nicht beachtet.
Ganz anders geht das Land
Rheinland-Pfalz vor. In Rheinland-Pfalz plante die rot-grüne Landesregierung
2013, den Pfälzerwald für den Bau von mindestens 150 Windenergieanlagen
freizugeben. Dies verursachte eine langanhaltende Diskussion, in der sich
vor allem Natur- und Umweltorganisationen und der Pfälzerwald-Verein gegen
die Pläne aussprachen. Nach mehrjähriger Diskussion beschloss die
Landesregierung, den Pfälzerwald zu schützen und stattdessen in der Ebene
auf Äckern oder in der Nähe von Straßen Flächen für den Bau von
Windkraftwerken auszuwählen. Auch Frankreich beschloss, die Vogesen vor
Windenergieanlagen zu schützen.
Seither wurden in der Pfalz
außerhalb von Wald auf Offenlandflächen in der Rheinebene bereits 160
Windkraftwerke errichtet.
25 weitere große Windkraftwerke sind aktuell z.B. im Raum Speyer im
Offenland geplant. Dies findet nicht nur breite Unterstützung in der
Bevölkerung, es geht auch viel schneller als Windkraftwerke im Wald, der
Klimaschutzeffekt ist dadurch größer.
Nähere Informationen zu dem Thema
finden sich in dem UPI-Bericht 88 „Windkraftwerke im Wald - Bewertung und
Alternativen“, der hier heruntergeladen werden kann:
www.upi-institut.de/UPI88.pdf Auch
das
Jahrbuch des Stadtteilvereins Handschuhsheim e.V. 2023 befasst sich mit
diesem Thema.
Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität (AKUM)
In der
AKUM-Sitzung am 20.09.2023 wollte die Stadtverwaltung den Gemeinderat
lediglich über ihre Entscheidung informieren, dass sie die drei Waldflächen
Weißer Stein zwischen Siebenmühlental und Kreuzgrundtal, Hoher Nistler und
Lammerskopf (zusätzlich zu den Flächen von ForstBW) als Windindustriezonen
für den Regionalplan anmelden will.
Fünf Fraktionen hatten Anträge
vorbereitet:
Als erstes hatte schon am Montag
18.9.2023 die CDU-Fraktion
beantragt:
„Für den Teilregionalplan Wind
werden bevorzugt die vom Regionalverband für Windkraft vorgeschlagenen
Flächen in der Ebene in Kooperation mit den Eigentümern, Gärtnern und
Landwirten weiterverfolgt. Flächen im FFH-Schutzgebiet (bspw. Lammerskopf)
kommen für Windkraftanlagen nicht in Betracht.
Vor einer möglichen Aufnahme weiterer Waldflächen („Weißer Stein“, „Hoher
Nistler“) in den Teilregionalplan Wind muss eine sorgfältige
Abwägung/Prüfung von Klima- und Naturschutzinteressen erfolgen. Weiterhin
soll geprüft werden, inwieweit weitere Flächen entlang der Autobahn, sowie
in Industrie- und Gewerbegebieten geeignet sind.“
Am 19.9. stellte die AfD den
Antrag, dass für den Teilregionalplan Wind gar keine Flächen angemeldet
werden und das Thema in der nächsten Gemeinderatssitzung weiter beraten
wird.
Am 20.9. stellte die Bunte Liste
(BL) zwei Anträge:
a) Vor
einer Entscheidung müssen dem Gemeinderat für die in Frage kommenden Flächen
12 Parameter wie Aufwand für Zuwegung (Länge, Breite, Tiefe der
Schotterung), für Stromanschluss (Länge neuer Mittelspannungs- und
Hochspannungsleitungen), Höhe der Stromverluste bis zum Umspannwerk und
Notwendigkeit und Dimension der Geländenivellierung mitgeteilt werden.
b) In
einem 2. Antrag fordert die BL, dass bei einer für die Energiewende wie für
den Naturschutz und das Stadtbild so fundamentalen Entscheidung
Öffentlichkeit und Bezirksbeiräte miteinbezogen werden müssen.
Ebenfalls am 20.9.2023
beantragten die GRÜNEN, dass die
Stadt Heidelberg zusätzlich zu den drei Waldstandorten der
Informationsvorlage (Südlich Weißer Stein, Hoher Nistler und Lammerskopf)
die vom Nachbarschaftsverband im Plan als für Windenergie geeigneten und
gekennzeichneten Flächen in der Ebene (Anlage 01) im jetzigen
Verfahrensschritt zur weiteren Betrachtung anmeldet.
Außerdem soll die Stadtverwaltung für die Standorte in Heidelberg
eigene Messungen in der Höhe von Windrädern in Auftrag geben.
Die SPD
beantragte kurz vor Beginn des AKUM, dass das Thema vor der
abschließenden Beratung im Gemeinderat in den betroffenen Bezirksbeiräten
behandelt wird, da die Ausweisung von Flächen für die Menschen in den
betroffenen Stadtteilen von großem Interesse ist.
In der Sitzung reagierte
Klimabürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (GRÜNE) vor voll besetzten
Zuhörerreihen ziemlich gelassen auf die Einbringung der Anträge: Diese
gingen ins Leere, da bereits morgen (21.9.2023) die Frist für das Einbringen
der Flächenvorschläge ablaufe ! Prüfungen und Bewertungen könne man nun
keine mehr vornehmen. Weitere Diskussionen zur Auswahl könne man nicht mehr
führen und auch die Bezirksbeiräte könne man jetzt nicht mehr beteiligen.
Dies sei allein der Zeitnot geschuldet, morgen sei Abgabetermin der
Flächenvorschläge !
Hier als Hintergrundinformation der
Zeitplan des VRRN:

Aus dem Zeitplan geht hervor, dass
der VRRN bereits im Juli 2022 den Aufstellungsbeschluss für die
Teilregionalpläne fasste und im 3. Quartal 2022 u.a. die Stadt Heidelberg
als "Träger öffentlicher Belange" darüber unterrichtete, dass Heidelberg
Flächen für Windkraftwerke melden solle. Das ist jetzt 10 Monate her ! Im
März 2023 lag der Kriterienkatalog vor.
In dieser Zeit haben sich andere
Kommunen ausführlich mit dem Thema befasst und Flächenvorschläge ausgewählt
und im Gemeinderat diskutiert und am Ende beschlossen. In Walldorf war z.B.
das Ergebnis die Ablehnung der Flächenvorschläge im Wald und
die Meldung der Flächen im Offenland.
Heidelberg wird dagegen jetzt
lediglich die bereits im Jahr 2015 vom Nachbarschaftsverband
Heidelberg-Mannheim und der Stadt geprüften Flächen im Wald für den
Regionalplan anmelden.
Damals hatte die Stadtverwaltung die
Flächen ausführlich untersucht mit folgendem Ergebnis:
"Stellungnahme
der Stadt Heidelberg als
Untere Immissionsschutzbehörde
Untere Wasserbehörde
Untere Bodenschutzbehörde
Untere Naturschutzbehörde
...
Fazit:
Insbesondere
seitens der unteren Naturschutzbehörde bestehen erhebliche Bedenken
gegen eine Ausweisung von Konzentrationszonen im Odenwald.
Allenfalls der Standort KWZ 16 Drei Eichen könnte sich unter Vorbehalt
als geeignet erweisen.
Die Untere Forstbehörde
Heidelberg kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Belange der
Erholung und der Ökologie in Zusammenhang mit der Eigenschaft als
„urbaner Wald“ höher einzustufen sind, als die Ausweisung von
Konzentrationszonen Windkraft auf Waldstandorten"
(Quelle: Anlage 02 zur Drucksache:
0039/2016/BV) |
Matthias Kutsch
(CDU) nannte es "geradezu absurd", dass der Gemeinderat erst jetzt einen Tag
vor der Frist und dazu noch nur in einer Infovorlage informiert wird.
Verwirrung entstand
dadurch, dass Marliese Heldner (HDer) fälschlicherweise behauptete, die
Fläche "Lammerskopf" würde ja bereits von ForstBW entwickelt und darauf habe
die Stadt keinen Einfluss, man könne deshalb die Fläche Lammerskopf gar
nicht aus der Liste nehmen. Geplant ist von der Stadtverwaltung jedoch nur,
die im Besitz der Stadt befindliche Fläche Lammerskopf von 90 ha zu melden.
Die weitgehend im Besitz des Landes befindliche Fläche, die als
Windindustriezone entwickelt werden soll, hat dagegen eine Fläche von ca.
500 ha. Dieser Fehler war den Vertretern der Verwaltung durchaus bewusst,
sie korrigierten ihn in der Diskussion jedoch nicht.
Raoul
Schmidt-Lamontain behauptete weiter, es sei nicht weiter schlimm, dass jetzt
in Heidelberg keine Zeit mehr für weitere Diskussion sei, da es sich ja nur
um quasi unverbindliche Vorschläge handele, die dann noch vom VRRN einer
genauen Prüfung unterzogen würden. Und außerdem gebe es dann im nächsten
Jahr eine Offenlage, wo man Einspruch erheben könne. Letzteres stimmt zwar
formal, wenn aber Flächen im Wald wie der Nistler oder Weißer Stein erst
einmal im Entwurf des Regionplans enthalten sind und von der
Verbandsversammlung am 15.12.2023 abgestimmt wurden, werden sie nur noch
schwer wieder daraus zu entfernen sein.
Ursula Röper (GRÜNE)
unterstützte Schmidt-Lamontain (GRÜNE) und berichtete, dass man in einer
Delegation zum Greiner Eck gefahren sei und z.B. keine Wege gesehen habe,
die anders aussehen als normale Waldwege. Insgesamt seien die Eingriffe
kleiner als man gedacht habe. Hier zur Information ein Foto vom Greiner Eck:

Matthias Kutsch
(CDU) stellte dazu klar, dass die Anlagen am Greiner Eck Anlagen der 3
MW-Klasse sind. Heute werden Anlagen von 7 MW gebaut, in Zukunft vermutlich
von 8 und 9 MW.
Bernd Zieger (LINKE)
erläuterte, dass Standorte im Wald erhebliche Eingriffe in die Natur zur
Folge haben, pro Windkraftwerk müssen etwa 1 Hektar Wald gerodet werden.
Deshalb müsse man auch Flächen in der Ebene ernsthaft prüfen.
Arnulf
Weiler-Lorentz legte dar, dass man erst dann eine vertretbare Entscheidung
treffen könne, wenn man die Fakten kenne. Deshalb brauche man vergleichbare
Werte für die einzelnen Flächen, auch wenn sie nur halb-quantitativ seien.
Raoul
Schmidt-Lamontain entgegnete darauf, dass die Verwaltung einen solchen
Vergleich (siehe die nachfolgende Tabelle nicht leisten könne, Luitgard
Nipp-Stolzenburg (GRÜNE) meinte, die Erhebung dieser Informationen könne man
auch den Investoren überlassen.
Die meisten der in dem Antrag der BL
geforderten Parameter lassen sich jedoch leicht aus den im Jahr 2015 vom
Nachbarschaftsverband für die Flächen erhobenen Daten und aus anderen
öffentlich zugänglichen Quellen errechnen:

Der Antrag der CDU wurde mit 4
Ja-Stimmen (CDU, BL, LINKE) gegen 10 Neinstimmen (GRÜNE, SPD, GAL, FDP, HDer
und Stadtpartei) bei 1 Enthaltung (Christoph Rothfuß) abgelehnt.
Der Antrag der GRÜNEN wurde mit 12
Ja-Stimmen (GRÜNE, SPD, GAL, FDP und Stadtpartei) gegen 1 Neinstimme (AfD)
bei 3 Enthaltungen (CDU, HDer) angenommen.
Der Antrag der BL nach Vergleich der
verschiedenen Flächen in einer Nutzwertanalyse wurde mit 5 Ja-Stimmen (BL,
LINKE, CDU, AfD) gegen 6 Neinstimmen (4 GRÜNE, Sören Michelsburg, FDP) und 5
Enthaltungen (Christoph Rothfuß und Bülent Teztiker, Karl Emer, GAL und
Stadtpartei) knapp abgelehnt.
Damit werden die Waldstandorte
und zusätzlich geeignete Flächen in der Ebene als Windvorrangflächen von
Heidelberg an den VRRN gemeldet.
Klimabürgermeister Raoul
Schmidt-Lamontain sagte zu, den Bezirksbeiräten das Verfahren zu erklären..
Termine:
Mittwoch 27.
September 2023, 18:00 Uhr Vortrag von Dieter Teufel, UPI-Umwelt- und
Prognose-Institut, über "Auswirkungen der geplanten Windindustriezonen
Lammerskopf, Hoher NIstler und Südlich Weisser Stein und Alternativen"
in der Steinbachhalle Ziegelhausen, Am Fürstenweiher 40,
Bushaltestelle Fürstendamm, Buslinien 33, 34 und 37.
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